Die Stromautobahn ULTRANET
und meine Mitwirkung an der letzten Ausfahrt Philippsburg
ULTRANET – das ist der Name der neuen, etwa 340 km langen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) zwischen Osterath in Nordrhein-Westfalen und Philippsburg in Baden-Württemberg. Es handelt sich dabei um ein Projekt der Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW, das ein sogenanntes Multiterminal darstellen wird.
Der Plan sieht vor, für einen Großteil der Strecke bereits bestehende Mastsysteme zu nutzen. Zum Einsatz kommen Hybridmasten, die sowohl Gleich- als auch Wechselstrom auf denselben Masten übertragen können. Die HGÜ-Leitung wird die drei Umrichterstationen Emden, Osterath und Philippsburg miteinander verbinden.
Im Endzustand wird diese „Stromautobahn“ ab 2026 hauptsächlich erneuerbaren Strom aus dem Norden Deutschlands in die Mitte und den Süden übertragen und dadurch die Energiewende in Deutschland weiter voranbringen.

Was ist nun so besonders an ULTRANET?
Das Vorhaben ULTRANET ist einzigartig, da viele Projektkomponenten so bisher noch nie umgesetzt wurden. Außerdem weist das Projekt viele weitere Besonderheiten auf. Nachstehend ein kleiner Auszug:
- ULTRANET ist wichtig, da es ein europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse ist (z.B. ähnlich Polder Rheinschanzinsel für Hochwasserschutz am Rhein).
- ULTRANET ist nachhaltig, da es eine hybride Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung ermöglicht, d.h. Wechselstrom-Leitungen und die Gleichstrom-Leitung teilen sich zum großen Teil eine bereits bestehende Freileitungstrasse.
- ULTRANET ist innovativ aufgrund der vorhandenen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ, HVDC) in Vollbrücken-Technologie, d.h. die Gleichspannung und der Gleichstrom können ihre jeweilige Richtung ändern.
- ULTRANET ist zukunftsorientiert, da es sich hier nicht nur um eine HGÜ mit Bildung eines Multi-Terminal-HGÜ-Systems (drei Stationen im Verbund) mit der Strecke A-Nord, sondern auch um ein netzübergreifendes Projekt mit Projektpartner Amprion und später mit TenneT handelt.
- ULTRANET ist ressourcenschonend, da in dessen Rahmen das erste Gleichstrom-Umspannwerk (Umrichterstation) auf dem Standort eines ehemaligen Kernkraftwerkes (Philippsburg) errichtet wird.
- ULTRANET ist leistungsstark. Es handelt sich um die leistungsstärkste selbstgeführte HGÜ-Langstreckenverbindung weltweit (2000MW, bis zu 1470 MVA) in dieser Spannungsebene (380 kV DC).
- ULTRANET ist variabel, da es flexibel einsetzbar ist, z.B. bei dem Schutz gegen Netzausfälle. Gleichzeitig könnte Ultranet der Hauptakteur bei einem möglichen Netzwiederaufbau sein.
- ULTRANET ist umweltschonend, da die Übertragung von elektrischem Strom durch Gleichspannung verlustarm ist.
- ULTRANET unterstützt die Energiewende, da es die Möglichkeit zur Übertragung von erneuerbaren Energien bietet.

Meine vielfältigen Aufgaben im Projekt Ultranet
Fichtner unterstützt TransnetBW bei diesem Projekt seit 2012. Für mich persönlich begann ULTRANET im Jahre 2013 mit der Erstellung und Prüfung von Designstudien und der Erstellung von Spezifikationen. Einige der wichtigen Fragen, die es zu beantworten galt und für die Lösungsvorschläge erarbeitet werden mussten, waren:
- Wie groß muss der Abstand zwischen einer Höchstspannungs-AC und -DC-Freileitung sein, die sich auf dem gleichen Mast befinden?
- Welche Leistung kann eine bestehende Höchstspannungs-AC-Freileitung an Höchstspannungs-AC zusätzlich noch aushalten?
- Wie soll eine am Ende der Leitung befindliche Umrichterstation aussehen und wie soll sie sich selbst versorgen?
Im Jahr 2016 haben wir bei der Wahl eines geeigneten Standortes für die Umrichterstation geholfen. Die Wahl fiel auf Philippsburg – sozusagen die letzte Ausfahrt der Stromautobahn. Das Layout, also die Anordnung der neu zu errichtenden Gebäude auf dem Gelände, haben wir an die Gegebenheiten auf dem Gelände des ehemaligen AKW Philippsburg angepasst. Dazu gehörte die Anbindung an das AC-Netz sowie die Planung des DC-Anschlusses.
„Seit ich am Projekt beteiligt bin, habe ich immer wieder spannende Änderungen erlebt, die in neue Aufgaben für mich mündeten.“
Es war am Anfang beispielsweise vorgesehen, zunächst nur eine Verbindung zwischen zwei Stationen herzustellen, was allerdings revidiert und die dritte Station bereits auch Bestandteil dieser anfänglichen Planung wurde, was wiederum zu Anpassungen in den Studien führte.
Ab 2017 habe ich weitere Aufgaben wahrgenommen, die nun auch Teil meiner täglichen Arbeit wurden. Dazu gehörten auch die Prüfung und Qualitätssicherung der Leit- und Schutztechnik sowie der Eigenbedarfsdokumente.
Genau diese Abwechslung weiß ich zu schätzen, da sie die Arbeit spannend und interessant macht und ich bin sehr stolz, Teil dieses Projektes zu sein. Ich bin mir sicher, dass dieses auch finanziell wichtige Projekt als ein weiterer Meilenstein deutscher Ingenieurskunst in die Geschichte eingehen wird.
Februar 2023

Stefan Ullrich
Senior Projektingenieur
im Geschäftsbereich Elektrische Anlagen & Netze