Das Projekt New Energy Gate Hamburg (NEGH)
Impuls für die Wasserstoffwirtschaft:
Deutschlands erstes Terminal für grünes Ammoniak
Verflüssigtes Ammoniak wird eine große Rolle in der Wasserstoffwirtschaft spielen, denn es ist das ideale Medium für den Transport von Wasserstoff auf dem Seeweg, zum Beispiel nach Europa. Bevor das importierte Ammoniak aber weiterverteilt oder in seine Bestandteile Stickstoff und Wasserstoff zerlegt wird, muss es verladen und zwischengelagert werden. Diese Aufgabe wird das New Energy Gate Hamburg (NEGH) erfüllen – Deutschlands erstes Terminal für grünes Ammoniak. 2027 soll es in Betrieb gehen. Mit fachübergreifendem Wissen unterstützt Fichtner dieses für die nachhaltige Transformation von Industrie und Verkehr wichtige Projekt.
Das Projekt New Energy Gate Hamburg (NEGH) ist – nicht nur für uns bei Fichtner – etwas Besonderes: Es wird Deutschlands erstes Terminal für verflüssigtes, grünes Ammoniak sein und beeindruckende Dimensionen aufweisen. Der Kryotank wird etwa 80.000 m³ an flüssigem Ammoniak lagern können. Das entspricht einem Energiegehalt von ca. 325.000 MWh, also etwa der Energiemenge, die vier Millionen Elektroautos speichern könnten. Das grüne Ammoniak kann als Brennstoff genutzt, in einem Cracker in Stickstoff und Wasserstoff aufgespalten oder vom Hamburger Hafen aus weitertransportiert werden. In jedem Fall leistet es einen wesentlichen Beitrag, Industrie und Verkehr klimafreundlicher zu gestalten.
Ein Teil des grünen Ammoniaks, das im NEGH ankommt, soll direkt vor Ort aufgebrochen werden, um Industrie und Verkehr mit Wasserstoff zu bedienen.
(Bild: Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG)
Große Abmessungen, gewaltige Sicherheitsanforderungen
Der Ammoniak-Tank des NEGH wird einer der größten seiner Art sein und das gesamte System, angefangen beim Verladesteg bis zum Tank, höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen, damit Mensch und Umwelt nicht zu Schaden kommen können. Die Tankwandungen sollen äußeren mechanischen Einwirkungen widerstehen und doppelwandiger Stahlbeton Schutz bei eventuellen Leckagen bieten: Bei Undichtigkeiten der inneren Hülle kann die Außenhülle das austretende Ammoniak komplett aufnehmen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Störungen oder Schäden eine zu hohe Ammoniakgas-Exposition bewirken könnten, ist eine Notfackel mit großzügiger Kapazitätsreserve vorgesehen. Die Fackel würde nur bei Bedarf gezündet, ist im Normalbetrieb also aus und verursacht dementsprechend keine Emissionen.
Der Tank des New Energy Gate Hamburg wird eine gigantische Speicherkapazität bieten: Trotz der doppelwandigen Ausführung werden etwa 80.000 m³ verflüssigtes Ammoniak in den Tank passen.
(Bild: Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG)
Eine Priorität für die Ingenieurinnen und Ingenieure bei Fichtner war, bei der Konzeption der Sicherheitstechnik die höchsten Standards anzusetzen. Hier war ein früher Konsens im Projekt vorhanden, denn auch der Investor hat hohe Sicherheitsanforderungen gestellt: Der Schutz von Mensch und Umwelt hat oberste Priorität.
In dem Projekt war neben Wissen über Ammoniak-Anlagen auch Öl- und Gas-Know-how gefragt. Hier zeigt sich, wie wertvoll der Erfahrungsschatz von Fichtner ist. Der Anlagenbau des Bereichs Future Fuel & Gas, der aus dem klassischen Öl- und Gas-Business hervorgegangen ist, verfügt über die relevanten Kenntnisse aus jahrzehntelanger Erfahrung in der Planung von Anlagen aus dem Öl- und Gas-Sektor und konnte dementsprechend sämtliche Sicherheitsmaßnahmen aus einer Hand planen.
Fichtner „Future Fuel & Gas“
Der Bereich Future Fuel & Gas beschäftigt sich neben der Planung von Gas-Infrastruktur mit modernen, klimafreundlichen Alternativen zu Erdöl und Erdgas und mit verwandten Bereichen, die die Transformation des Sektors Öl & Gas vorantreiben. Dazu gehören:
- die Konzeptentwicklung und Technologiebewertung für Prozesse zur Erzeugung von regenerativen Kraftstoffen (z.B. Methanolsynthese, Methanol-to-Gasoline-Prozess, Ammoniak-Cracker, etc.)
- sowie die Projektierung und Planung von
- Anlagen zur Herstellung grünen Ammoniaks oder Methanols (sog. „e-fuels“)
- Systemen zur nachhaltigen Erzeugung von Kerosin (SAF – Sustainable Aviation Fuel)
- CCUS (Carbon Capture, Utilisation and Storage): CO2-Abscheidungen für z.B. die Zementindustrie oder Abgasreinigung an
Kraftwerken, Aufbereitung zu nutzbaren grünen Kohlenstoffquellen für die Herstellung von regenerativen Kraftstoffen oder dauerhafter Speicherung von CO2 in sicheren Lagerstätten
Dabei kombinieren die Experten innovative Ansätze mit Erfahrungen aus Öl- und Gas-Projekten und beweisen sich als Wegbereiter der Dekarbonisierung. Davon profitieren sowohl Energieerzeuger als auch Industriebetriebe, die ihre Prozesse CO2-frei gestalten möchten.
Fichtner-Planung führt fachübergreifendes Wissen zusammen
Wie bei vielen Projekten, die wir begleiten, sind auch bei diesem die Kenntnisse in verschiedensten Bereichen ein Mehrwert für den Auftraggeber. Zum Beispiel wissen wir von Ammoniak- und LNG-Terminalprojekten, wie Kryotanks konzipiert, gebaut und in die Gesamtanlage integriert werden. Die Kollegen des Fachbereichs Bauplanung brachten ihre Expertise bei der Berechnung der Tank-Statik ein und haben Vorschläge zur Ausführung erarbeitet; die Kollegen und Kolleginnen von Fichtner Water & Transportation (FWT) kennen sich mit dem Design von Kaianlagen und Anlegern (engl. Jetties) zum Verladen von petrochemischen Produkten aus (siehe Bild aus 3D-Planung ganz oben). Zudem unterstützen Inhouse-Experten, die mit den deutschen Gesetzen und Bestimmungen vertraut sind, das Team und greifen dabei auf belastbare Erfahrungen in der Konzeption und Abwicklung ähnlich komplexer Infrastrukturprojekte im Öl- und Gassektor zurück, was sowohl bei der Entwurfsplanung als auch beim Erstellen von Genehmigungs- bzw. Bauanträgen notwendig ist.
Fichtner-Leistungen
beim NEGH-Projekt
Beim NEGH-Projekt hat Fichtner die technische Planung, die Genehmigungsplanung und die Erstellung des Genehmigungsantrags inkl. des Bauantrags verantwortet. Dazu gehörten unter anderem:
Feierlicher Meilenstein des Projekts:
Gemeinsame Unterzeichnung der Antragsunterlagen
Auf der Suche nach besseren, neuen Lösungen
Es gibt stets etwas Neues zu beachten und Grenzen zu erkunden. Beim NEGH zum Beispiel ergeben sich alleine durch die Dimensionen des Tanks spannende Fragestellungen: Wie muss das für den Standort optimale Verhältnis von Tankhöhe zu Tankdurchmesser gewählt werden und welche Bauweise und Baustoffe eignen sich, damit nicht nur die Statik passt, sondern das Medium Ammoniak unter möglichst geringen Abdampfverlusten gelagert werden kann? Das Team von FWT zeigte seine Kreativität beim Entwickeln einer Lösung für die wasserseitigen Installationen am bestehenden Anleger. In enger Absprache mit dem Kunden entwickelte das FWT-Team eine intelligente Lösung und hat eine Konstruktion über der bestehenden Jetty errichtet. Dadurch wurden die alten Öl- und Gas-Umschlageeinrichtungen von den neuen Anlagen für Ammoniakumschlag sowohl statisch als auch funktionell vollständig getrennt.
Die gesamte Anlage des geplanten Ammoniak-Terminals ist kein Bau auf der berühmten „grünen Wiese“, alles muss auf einem gegebenen Grundstück zwischen bestehenden Anlagen Platz finden. Solche Herausforderungen sind für die Fichtner-Kolleginnen und -Kollegen der verschiedenen Bereiche ein Ansporn. Denn durch unser unermüdliches Suchen und Finden innovativer Lösungen helfen wir, die Energiewende zu beschleunigen. Das Projekt NEGH ist eine solche Lösung: Mit einem Umschlag von bis zu 600.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr wird das Terminal ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Zentraleuropa.
Ammoniak als Träger für grünen Wasserstoff
Ammoniak (NH3) ist ein stechend riechendes Gas, das in der Natur in geringen Mengen beispielsweise beim Zersetzen von Exkrementen oder Pflanzen entsteht. Industriell hergestelltes Ammoniak ist eine wichtige Grundchemikalie, vor allem für die Düngemittelherstellung. Es kann in der Zukunft aber auch als maritimer Kraftstoff eingesetzt werden.
Doch Ammoniak vermag noch mehr: Es kann als Transportmittel für klimafreundlich hergestellten Wasserstoff fungieren, damit ein wirtschaftlicher Transport der grünen Energie über große Entfernungen möglich ist. Dazu reagiert Stickstoff aus einer mit grüner Energie betriebenen Luftzerlegungsanlage mit Wasserstoff aus einer mit regenerativ erzeugtem Strom gespeisten Elektrolyseanlage zu grünem Ammoniak.
Da Ammoniak bei natürlichem Luftdruck und bei Temperaturen über -33 °C gasförmig ist, muss es für ein kompaktes Transportvolumen verflüssigt werden. So werden 1.000 Liter Gas (im entspannten Zustand bei 0 °C und 1,013 bar) auf 1,13 Liter reduziert. Die Ammoniakproduktion und -verflüssigung kosten zwar Energie, vereinfachen aber den Wasserstofftransport erheblich, denn:
- Das gasförmige Ammoniak lässt sich zur Volumenreduktion leichter und bei deutlich geringerem Energieeinsatz verflüssigen als reiner Wasserstoff
- Kryotankanlagen für flüssiges Ammoniak sind einfacher zu fertigen, weil die Temperatur zum Lagern bei niedrigem Druck nur unter -33 °C gehalten werden muss (bei flüssigem Wasserstoff sind es -253 °C)
- Ammoniak hat eine geringere Entflammbarkeit als Wasserstoff, somit ist die Explosionsgefahr deutlich niedriger
- Schiffsmotoren könnten Ammoniak statt Bunkeröl als Brennstoff nutzen
- das grüne Ammoniak lässt sich unter anderem direkt als Brennstoff nutzen oder es kann in Crackern aufgespalten und so der Wasserstoff wieder verfügbar gemacht werden
Juli 2024
Dr. Joachim von Schnitzler
Projektbereichsleiter Future Fuels & Gas
Oliver Lex
Projektleiter im Bereich Future Fuels & Gas
Thorsten Möller
Senior Projektleiter im Bereich Future Fuels & Gas