Revolutionäres Leasingkonzept mit Vorbildfunktion

Dank Jordaniens Energiestrategie war der nationale Markt für erneuerbare Energien in den letzten Jahren sehr stark von staatlicher Unterstützung geprägt. 2012 trat ein Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft, das die vorrangige Einspeisung von grünem Strom in das jordanische Netz sowie technologiespezifische Einspeisetarife festlegt. Auf Projektausschreibungen können sich internationale und lokale Firmen zu gleichen Konditionen bewerben.

Batteriespeicher

Mit Hilfe von Fichtner hat das zuständige Ministerium für Energie und Bodenschätze (MEMR) bereits zwei EPC-Projekte und zwei Ausschreibungsrunden, so genannte „Direct Proposal Submission Rounds“ für Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von über 600 MW abgeschlossen. Mit unserer Unterstützung geht der Ausbau der erneuerbaren Energien jetzt in die nächste Phase. In einer dritten Runde werden dem Energiemix weitere 300 MW hinzugefügt. Vorgesehen sind Solaranlagen mit einer Leistung von 200 MW in Ma’an und ein Windpark mit weiteren 100 MW im Süden des Landes.

Nach Ausschreibung der Entwicklung bis Ende 2018 sollen die Projekte nun bis 2021 realisiert werden. Den Prognosen nach werden bis 2021 insgesamt mehr als 1.600 MW PV-Leistung – 1.018 MW aus Direct Proposals und der Rest aus EPC, Wheeling- und Kleinprojekten – sowie 715 MW Windkraftleistung ausschließlich aus Direct Proposals an das jordanische Übertragungsnetz angeschlossen sein.

Kapazitätssteigerung mit Herausforderungen

Diese große Kapazitätssteigerung an erneuerbaren Energieträgern bei einer Auslastung von weniger als 4 GW bringt allerdings einige Probleme mit sich: Beispielsweise verstärkt die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien Rampenraten und Frequenzschwankungen. In Jordanien werden für die nahe Zukunft Lastschwankungen von 400 MW/min und mehr erwartet. Derzeit löst man diese Probleme mit Hilfe teurer mitlaufender Reserven oder durch Nutzung der Verbindungsleitung nach Ägypten. Mit zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien im System werden jedoch kostengünstigere Alternativen benötigt.

Vor diesem Hintergrund hat sich MEMR für die Aufnahme elektrischer Speichersysteme in das Netz entschieden, was einige Vorteile mit sich bringt:

  • Rampensteuerung von Last- und regenerativen Kraftwerken
  • Reduzierung des konventionellen Kraftwerksbetriebs im ineffizienten Teillastbetrieb, der für die mitlaufende Reserve notwendig ist
  • kurze Energieverschiebung der ansonsten eingeschränkten erneuerbaren Energien auf Spitzenlastzeiten
  • Lastspitzenlastschaltung für ein Umspannwerk
  • Blindleistungsversorgung für die Spannungsregelung

Allerdings hat der staatliche Übertragungsnetzbetreiber und Alleinabnehmer NEPCO bislang noch keine Erfahrung mit dem Betrieb eines Batteriespeichersystems in industrieller Größe. Zudem gab es Bedenken bezüglich der Kapazitätsalterung und Haltbarkeit dieses Systems.

Beispielhaftes Pilotprojekt auf PPP-Basis

Aus diesem Grund rieten wir MEMR, zunächst ein Pilotprojekt für elektrische Speicher auf Basis eines Public-Private-Partnership-(PPP-)Projekts durchzuführen. Das Ministerium beauftragte uns damit, eine entsprechende Machbarkeitsstudie und das Design zu erarbeiten, eine Ausschreibungsstrategie zu entwickeln und die Beschaffung zu koordinieren.

Nach eingehender Analyse des aktuellen elektrischen Systems und der Prognosen entschied das Team, ein erstes 30 MW/60 MWh-Batteriespeicherprojekt auszuschreiben, das im Rahmen eines Speicherservicevertrags durchgeführt werden soll. Dies versetzt NEPCO in die Lage, die Speicherkapazität von einem privaten Unternehmen zu mieten, welches das Speichersystem ähnlich wie ein IPP-Projekt entwickeln würde. Dieses revolutionäre Konzept der flexiblen Speichernutzung und der bankfähigen festen und variablen Vergütung ist das erste seiner Art und soll als Vorbild für weitere Implementierungen in der MENA-Region dienen.

Konzept mit Perspektive

Bereits in der Präqualifikationsphase stießen wir auf großes Marktinteresse. Von 41 Unternehmen, für die die Ausschreibungsunterlagen freigegeben wurden, konnten sich 25 qualifizieren. Nach Abschluss der Beschaffungsphase gehen wir davon aus, dass die Speicherkapazität im Jahr 2019 in Betrieb gehen wird.

Nach seiner Realisierung wird dies nicht nur das größte Speicherprojekt in der Region sein, sondern eines der ersten weltweit, das im Rahmen dieses präzedenzlosen Leasingkonzepts entwickelt wurde. Zudem kann das Projekt leicht übertragen werden – eine hoffnungsvolle Perspektive, vor allem für andere Länder mit begrenzter Erfahrung im Betrieb von Batteriespeichersystemen oder beschränkter Finanzierungsmöglichkeiten.

Februar 2020

Fichtner-Mitarbeiter Christian Scholz

Christian Scholz

Senior Projektleiter

im Geschäftsbereich Photovoltaik und Hybride Systeme bei Fichtner

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