Zur Devil‘s Gorge in Sambia

Acht Stunden Offroad-Fahrt für 30 Minuten Ortsbesichtigung

Eine achtstündige Fahrt durch unwegsames Gelände für eine dreißigminütige Ortsbesichtigung? Das mag übertrieben klingen, aber genau so war es, als ich von der Zambezi River Authority (ZRA) eingeladen wurde, die Devil‘s Gorge im Rahmen einer Angebotserstellung zu besuchen. Und ich muss sagen, es hat sich gelohnt.

Die Devil‘s Gorge – zu Deutsch: Teufelsschlucht – ist so etwas wie ein verstecktes Juwel Sambias, verborgen in der rauen Wildnis im Süden des Landes. Dort, unterhalb der Victoriafälle und oberhalb des Kariba-Staudamms am Sambesi, liegt dieser unberührte, ursprüngliche Flecken Erde. Die Schlucht wurde 1972 als Standort für ein Wasserkraftwerk mit einer Leistung von 1.240 MW und einem 181 m hohen Staudamm vorgeschlagen. Im Jahr 2016 wurde eine Vorstudie für das Projekt Devil‘s Gorge durchgeführt, und damals wurde der Standort von Simbabwe aus per Boot über den Sambesi angefahren. Von sambischer Seite aus war das Gelände jedoch bis vor kurzem noch nie angefahren worden.

Als ich mich auf den Weg zu diesem abgelegenen Ort mache, bin ich voller Vorfreude und Aufregung – noch ahne ich nicht, dass die Reise ein Abenteuer voller unerwarteter Herausforderungen und unvergesslicher Erlebnisse werden wird.

Gut vorbereitet zu sein, hatte uns der Kunde geraten. Nicht nur irgendein ein Allradfahrzeug sei empfehlenswert, sondern am besten ein schwerer 4×4‑Land Cruiser. Ein erster Hinweis auf das, was uns auf dieser Reise erwarten würde.

„Ich fühlte mich gut vorbereitet, mich auf das Abenteuer Devil‘s Gorge einzulassen, nachdem ich am Vortag zum Treffpunkt in Choma angereist war.“

Die Entfernung von Choma zur Devil‘s Gorge beträgt schätzungsweise 200 km. Als ich bei Google Maps unser Ziel Devil‘s Gorge eingab, merkte ich schnell, dass Google Maps nicht die leiseste Ahnung von der endgültigen Route zu diesem versteckten Juwel hatte. Also unterteilten wir die Reise: Zunächst von Choma nach Maamba, und dann weiter nach Siamsalama.

Ab Siamsalama, etwa 15 km vor unserem eigentlichen Ziel, soll uns dann eine von den Dorfbewohnern angelegte Piste vollends zu unserem Ziel führen. Noch ein Hinweis darauf, dass diese Reise ungewöhnlich, spannend und abenteuerlich werden könnte. Der Kunde hatte uns mitgeteilt, dass er erst drei Wochen zuvor versucht hatte, den Ort zu erreichen, aber am unwegsamen Gelände gescheitert war. Trotzdem versicherte er uns, dass wir diesmal unser Ziel erreichen würden, da es in der vergangenen Woche nicht geregnet hat.

Morgens um 6:30 Uhr machen wir uns in insgesamt acht Fahrzeugen auf den Weg von Choma nach Maamba, einer kleinen Bergbaustadt in 12 km Entfernung vom Kariba-Stausee. Die ersten 90 km führen über eine Staubpiste, die die Eignung unseres Fahrzeugs schon mal auf die Probe stellt. Die 90 km sind in zweieinhalb Stunden bewältigt, was für den Anfang nicht mal schlecht ist.

Um 9 Uhr kommen wir in Maamba an und treffen uns an einer Tankstelle – der letzten auf dem Weg zur noch 110 km entfernten Devil‘s Gorge. Wir decken uns mit Trinkwasser und Snacks ein und versuchen, unsere Fahrzeuge zu betanken. Leider stellt es sich heraus, dass die Tankstelle keinen Diesel mehr hat und die nächste Tankstelle, die vielleicht Diesel haben könnte, eine Stunde Fahrt in entgegengesetzter Richtung liegt. Da wir uns einen solchen Umweg nicht leisten können, entscheiden wir uns, die Autos, die nicht mehr genug Sprit haben, und die Autos, die wir für den Rest der Strecke für untauglich halten, in Maamba zurückzulassen. Also fahren wir mit vier unserer acht Fahrzeuge weiter in Richtung Siamsalama.

Wir fahren durch kleine Dörfer und üppig grüne Landschaften mit Bäumen und Büschen, überqueren Täler mit kleinen Flüssen und überwinden Hügel. Wir werden mit einer atemberaubenden Aussicht auf den Sambesi-Steilhang belohnt und erleben wie es ist, durch eine Landschaft zu fahren, die in historischen Büchern über die Erforschung des südlichen Afrikas beschrieben wird – Szenerien und Landschaften, die in jeden Safari-Film aus Hollywood passen würden. Kinder und neugierige Schaulustige winken uns zu. Auf über 100 km kommen uns kaum fünf andere Autos entgegen.

Während wir die Fahrt so genießen, hören wir im Radio den AC/DC-Song „Highway to Hell“. Ist das Zufall oder will uns da vielleicht eine höhere Macht etwas sagen?

Um 12:30 Uhr erreichen wir Siamsalama, das letzte bei Google Maps verzeichnete Dorf auf unserer Strecke, etwa 15 km von Devil‘s Gorge entfernt. Bis jetzt haben wir sechs Stunden für 185 km gebraucht. Die restlichen 15 km legen wir im Schritttempo zurück.

Die Fahrt durch diese fantastische Landschaft ist ein aufregendes Erlebnis. Die Vielfalt der Vegetation auf ein paar wenigen Kilometern ist schlichtweg überwältigend: Wir passieren waldähnliche Landstriche, dann öffnen sich diese bewaldeten Flächen zu savannenähnlichen Ebenen mit Grasland und sandigen Böden, die uns weiter zu sumpfigen und matschigen Gebieten führen, die wiederum von felsigen Abschnitten in Flussbetten und Tälern abgelöst werden.

Es dauert nicht lange, bis wir vor der nächsten Herausforderung stehen:

Das Radio fängt an, uns im Stich zu lassen, und wegen des schlechten Empfangs schalten wir es schließlich aus, da wir kaum mehr den laufenden Song erkennen können. Das letzte Lied, das ich zu hören glaube, ist „I‘m Your Angel“ von Celine Dion mit der Zeile: “No mountain’s too high for you to climb ….“. Noch ein Wink des Allmächtigen?

Um 14:30 Uhr kommen wir endlich am Rand der Schlucht an.

„100 Meter über dem mächtigen Sambesi bietet sich uns eine atemberaubende Aussicht – der Anblick der Schlucht und die Schönheit der Natur, die sie umgibt, sind überwältigend.“

Ich fühle mich privilegiert, einen so schönen und ursprünglichen Teil unserer Erde erleben zu dürfen.

Wir haben Devil‘s Gorge erreicht. Zumindest für einen Moment vergessen wir die achtstündige Fahrt, die wir hinter uns haben, um hierher zu gelangen, und die Rückfahrt, die noch vor uns liegt.

Die Einheimischen nennen diesen Abschnitt des Sambesi-Flusses „LesaSambe“, was übersetzt so viel wie „God‘s Bath“, also „Gottes Bad“ bedeutet – ein weitaus passenderer Name für ein so ursprüngliches und unberührtes Stück Natur. Ich nehme mir vor, dass ich bei Gelegenheit versuchen will, herauszufinden, wie es wohl zu der Übersetzung „Teufelsschlucht“ für „Gottes Bad“ gekommen ist…

Als wir noch die Aussicht bewundern, holt uns der Kunde in die Realität zurück: In 30 Minuten müssen wir aufbrechen, denn um 18:30 Uhr wird es dunkel, und wir wollen nicht im Dunkeln stecken bleiben.

Nachdem der Kunde uns seine Vorstellungen und seinen Wunsch, den am besten geeigneten Standort für einen Staudamm in der Schlucht zu finden, erläutert hat, steigen wir wieder in die Autos und machen uns auf den Weg nach Lusaka.

Mit unserer Erfahrung und Kenntnis der problematischen Streckenabschnitte legen wir die ersten 15 km in rekordverdächtiger Zeit von einer Stunde zurück.

Als wir wieder Radioempfang haben und uns auf Gelände befinden, in dem sich auch Google Maps wieder auskennt, checken wir die Entfernung nach Lusaka: 430 km, also nochmal acht Stunden Fahrt. Wir beschließen, uns in Maamba eine Unterkunft zu suchen. Leider jedoch sind alle Unterkunftsmöglichkeiten dort belegt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als weiter in Richtung Lusaka zu fahren, um nach Monze, der nächstgrößeren Stadt, zu kommen und dort eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Obwohl es sich um eine Hauptstraße handelt, ist die Straße nach Monze in sehr schlechtem Zustand und nur mit Allradfahrzeugen befahrbar.

Die Nacht ist stockdunkel, und das wenige Mondlicht gibt der Fahrt etwas Geheimnisvolles. Wir müssen konzentriert bleiben, denn wir überholen immer wieder einachsige Ochsenkarren, ein beliebtes Verkehrsmittel in diesem Teil Sambias.

Um 23 Uhr kommen wir schließlich in Monze an und halten an der ersten Unterkunft, auf die wir stoßen. Zu unserer Enttäuschung teilt uns der Wachmann mit, dass die Rezeptionistin um 22 Uhr gegangen sei und danach keine Gäste mehr eingelassen würden. Müde und erschöpft beschließen wir, nicht weiter zu suchen und schaffen es, den Wachmann zu überreden, uns auf dem Parkplatz der Lodge im Auto schlafen zu lassen.

„Als wir uns schlafen legen, läuft im Radio „Heaven for Everyone“ von Queen.“

Ich lächle in mich hinein. Heute bin ich erst auf dem „Highway to Hell“ gefahren, danach habe ich bei „No Mountain Too High“ im wahrsten Sinn des Wortes auch die höchsten Hügel überwunden, ich durfte ein Stück vom Paradies sehen, und jetzt wird mir gesagt, dies könnte der Himmel für alle Menschen sein. Ehe ich mich versehe, schlafe ich ein.

Diese 30-minütige Ortsbesichtigung ist ein Abenteuer, das ich nicht so schnell vergessen werde. Morgen kommen wir in Lusaka an.

März 2023

Fichtner-Mitarbeiter Kabengele Heribert Bredt

Kabengele Heribert Bredt

Leiter des Fichtner-Büros Nairobi

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