FICHTNER Talks 2020

Online Premiere

Die FICHTNER Talks im September sind ein jährlicher Fixpunkt im Kalender der Energiebranche. Daran ändert auch die Corona-Pandemie nichts; sie fanden in diesem Jahr online statt. Über das Ringen um den Spannungsbogen und die Entstehungsgeschichte berichte ich in diesem Blog.

Herbst 2019: Die FICHTNER Talks 2019 in der Villa Levi haben nachhaltige Diskussionen entfacht; einige haben wir in Fichtner-Foren und persönlichen Kontakten vertieft. In zahlreichen Gesprächen mit meinen Geschäftspartnern und der FICHTNER-Talks-Community wurde die Sorge um den Klimawandel und seine Konsequenzen deutlich; nach und nach kristallisierte sich „Zero Emission“ mit seinen vielfältigen Strategieansätzen, Chancen und Konsequenzen als Leitthema für die FICHTNER Talks 2020 heraus.

Winter 2019: Nach meinen konzeptionellen Vorstellungen sollte der Spannungsbogen von „Zero Emission“ alle Facetten beleuchten: von den globalen Auswirkungen der Klimakrise über die nationale Gesetzgebung bis zu den konkreten politischen Rahmenbedingungen und wissenschaftlich begründeten Empfehlungen sollten exponierte Vertreter die jeweilige Perspektive beleuchten und kritisch vertreten. Meine Idealvorstellung für das Programm ist ambitioniert und sieht Energie- und Umweltminister Untersteller, Professor Schmidt, Vorsitzender der „Wirtschaftsweisen“ und Professor Obersteiner, der designierte Direktor des Environmental Change Institute (ECI) an der University of Oxford als Keyspeaker vor. Mit allen verbindet mich eine langjährige Geschäftsfreundschaft.

Michael Obersteiner kenne ich aus meiner Promotionszeit (1990), wo er sich am IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) mit Realoptionsmodellen beschäftigte, während ich an der Universität Stuttgart LP-Modelle für Energieplanungen in Entwicklungsländern entwickelte. Ein konstruktiver Methodenstreit führte uns zusammen. Ich durfte ihm während der FICHTNER Talks zu seiner zeitgleichen Berufung als Leiter des ECI gratulieren.

Sowohl die inhaltlich ökonomischen Ansätze von Prof. Schmidt vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wie auch die gegenseitige Sympathie ließen uns einen sehr facettenreichen und profunden Spannungsbogen für die FICHTNER Talks entwickeln.

Mit Minister Untersteller initiierte ich 2012 die Roadmap für Smart Grids in Baden-Württemberg, die in die alljährliche Smart-Grids-Veranstaltung des Umweltministeriums in Fellbach und in das C/sells-Projekt mündete, das vom Umweltministerium sehr tatkräftig unterstützt wird.

Frühjahr 2020: Die für den Nachmittag geplanten, parallelen Sessions beleuchten die praktischen Aspekte der Zero Emission Strategien und deren Auswirkungen. Die Co-Moderatoren Andreas Höfler, Dr. Florian Klumpp und Manuel Landgrebe haben „ihre“ Sessions jeweils prominent besetzt und so zu einem anspruchsvollen Gesamtprogramm beigetragen.

Programmflyer FICHTNER Talks 2020 in der Villa Levi

März/April 2020: Ein bisher unbekannter Player betritt die Bühne: Corona.

Sommer 2020: Wir planen um: die Präsenzveranstaltung wird zur Online-Übertragung; das Programm wird auf einen halben Tag komprimiert; die Location wechselt von der Villa Levi ins Stammhaus. Ich bespreche mit unseren Referenten ihre Rollen und stimme die Botschaften ab: Franz Untersteller MdL, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, der kraft seines Amtes politische Entscheidungen treffen muss und damit die praktische Umsetzbarkeit ins Zentrum seiner Ausführungen rückt. Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, der als renommierter Politikberater auf das Vertrauen in die Marktkräfte setzt. Der Wissenschaftler Michael Obersteiner, Direktor des Environmental Change Institute an der University of Oxford, der auf die langfristigen Wirkungen unseres Handelns verweist. Meine Rolle als Moderator besteht darin, das Gemeinsame herauszuschälen und zusammenzufassen – trotz der unterschiedlichen Ausgangspositionen.

21. September 2020: Prof. Obersteiner meldet sich aus Wien, das gerade zum Risikogebiet erklärt wurde; er kann also nicht kommen, wir beschließen eine Fernübertragung.

25. September 2020: Organisatorisch und technisch läuft alles rund. Die Tagung hat Inhalt, Charme und konkrete Ergebnisse:

Um die Mächtigkeit der Marktkräfte für „Zero Emission“ zu nutzen, würde sich ein CO2-Preis als Leitinstrument eignen. Prof. Schmidt fasst es so zusammen: „Ein CO2-Preis als Leitinstrument ist nicht alles, aber ohne ein Leitinstrument CO2-Preis ist alles nichts.“ Deutschland hat mit der Einführung eines CO2-Preises für die Sektoren Wärme und Verkehr ab Januar 2021 einen Schritt in diese Richtung gemacht. Eine Lenkungswirkung ist allerdings erst mit erheblich höheren Preisen als mit dem Startpreis von 25 € pro Tonne CO2 zu erwarten.

Alle Referenten waren sich einig, dass keiner „Zero Emission“ alleine schaffen kann. Der Anteil Deutschlands an den globalen Emissionen ist mit derzeit 2,3 % überschaubar, und somit ist auch die Emissionsreduktion, die Deutschland allein leisten kann, global betrachtet begrenzt. Trotzdem ist Deutschland aufgerufen, sich im Sinne eines Neuaufbruchs der europäischen bzw. der international verhandelten Klimapolitik für einen einheitlichen und umfassenden CO2-Preis als Leitinstrument des European Green Deal einzusetzen – ganz im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen. Die aktuelle Ratspräsidentschaft Deutschlands bietet hierfür einen hilfreichen Rahmen.

Professor Obersteiner wies darauf hin, dass langfristig Negativemissionen notwendig sein werden, um die aufgebaute Emissionslast wieder abzubauen. Die damit verbundenen Kosten sind enorm; daher ist die Weltgemeinschaft aufgerufen, möglichst früh zu handeln, denn dann wären die erforderlichen Aufwendungen geringer als bei „Last Minute“-Kraftakten. Im Übrigen umfasst „Sustainability“ nicht nur die Vermeidung von CO2-Emissionen, sondern auch das Natur-, Sozial- und Wirtschaftskapital, und birgt damit einen Zielkonflikt bzgl. der Allokation knapper Ressourcen. Es blieben also noch jede Menge Frage offen.

Ein Nachbericht erscheint in den „Energiewirtschaftlichen Tagesfragen“ im Dezember.

Mit dieser Online-Veranstaltung haben wir Basisarbeit geleistet, die uns bei weiteren Fichtner-Foren und FICHTNER Talks zugutekommen wird – mit oder ohne Corona!

Wir planen bereits die nächsten FICHTNER Talks, die im September 2021 stattfinden werden – dann hoffentlich wieder mit persönlichem Kontakt!

Von Albrecht Reuter mit einem herzlichen Dankeschön an unsere engagierte Haustechnik und IT!

Das Studio – unser Meetingraum 319/20 ist nicht wiederzuerkennen!

Oktober 2020

Dr. Albrecht Reuter

Dr.-Ing. Albrecht Reuter

Wissenschaftlicher Leiter der FICHTNER Talks

Geschäftsführer der Fichtner IT Consulting GmbH

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