Beratung und Konzeption der E-Technik für das Programm SALCOS® der Salzgitter Flachstahl

Elektrotechnik für die grüne Stahlproduktion

Bis Ende 2033 möchte die Salzgitter Flachstahl GmbH den CO2-Fußabdruck ihrer Stahlproduktion um bis zu 95 Prozent reduzieren. In 2026 will sie mit Produkten von dieser Route am Markt sein. Die erforderlichen Anpassungen des Stahlwerks erfolgen im Rahmen des Programms SALCOS® (Salzgitter Low CO2 Steelmaking). Das umfasst den Aufbau einer klimafreundlichen Prozesstechnik und einer neuen Energieversorgung, denn grüner Stahl braucht grünen Strom – viel grünen Strom. Fichtner unterstützt Salzgitter Flachstahl nicht nur bei der Bauplanung, sondern auch bei der Auslegung des dafür umzugestaltenden Stromnetzes und der Planung elektrischer Anlagen.

Stahl erzeugen fast ohne CO2-Emissionen – das ist das Ziel des Programms SALCOS® der Salzgitter Flachstahl GmbH. Möglich wird das durch Direktreduktionsanlagen, in denen Eisenerz mithilfe von Wasserstoff zu Eisenschwamm reduziert wird. Dafür sind immense Mengen an Wasserstoff nötig, welcher zum Teil vor Ort klimafreundlich durch Elektrolyse entstehen soll. Die Elektrolyse wiederum erfordert Strom. Zudem muss die Metallurgie von konventionellen Konvertern auf Elektrolichtbogenöfen (EAF) umgestellt werden, um Eisenschwamm weiterverarbeiten zu können – und dies benötigt noch viel mehr elektrische Energie. Der Strombedarf des Werkes steigt daher stark an.

Statt wie aktuell unter Einsatz von Kohle lässt sich Eisenerz auch mithilfe von Wasserstoff reduzieren. Der resultierende, „grün“ hergestellte Eisenschwamm hat einen Eisenanteil bis ca. 95 Prozent.

(Bild: Salzgitter Flachstahl)

Reduktion von Eisenerz zu Eisenschwamm mit Wasserstoff

Die Produktion grünen Stahls benötigt viel grünen Strom

Um einen Teil des Strombedarfs klimafreundlich zu decken, hat die Avacon Natur GmbH für Salzgitter Flachstahl auf dem Firmengelände sieben Windkraftanlagen mit zusammen 30 MW Leistung errichtet und betreibt diese. Weiteren Strom bezieht das Stahlwerk (auch jetzt schon) aus dem Übertragungsnetz der TenneT. Damit die elektrische Energie zu den Großverbrauchern im Werk gelangen kann, muss das Stromnetz angepasst werden. Denn allein nach Abschluss der ersten SALCOS®-Phase im Jahr 2026, wenn etwa 30 Prozent der Stahlproduktion CO2-frei erfolgen soll, müssen ca. 400 MVA mehr Leistung bereitgestellt werden können. Diese zusätzliche Leistung entspricht ungefähr der elektrischen Anschlussleistung von 20.000 Einfamilienhäusern.

Die Energiebetriebe von Salzgitter Flachstahl hatten bereits Ideen für den Ausbau des Werksstromnetzes und der Einspeisungen vom Stromnetznetzbetreiber TenneT ins Werk entwickelt, da der bestehende 220-kV-Anschluss die zusätzlichen 400 MVA für die neuen EAF und die neuen Prozessanlagen nicht liefern kann. TenneT baut daher einen neuen Abzweig an der 380-kV-Leitung vom niedersächsischen Wahle ins nordhessische Mecklar. Die Planung und Umsetzung dieser neuen Leitung wurde im Rahmen des Netzausbauprojekts ProVAN ebenfalls von Fichtner unterstützt. Vom naheliegenden Umspannwerk Bleckenstedt Süd wird eine etwa 500 m lange 380-kV-Leitung zum Werk führen. Fest stand außerdem: Man braucht neue Schaltanlagen.

Gasisolierte Schaltanlage für Salzgitter Flachstahl

Darstellung der neuen Hochspannungsschaltanlage aus der Vogelperspektive; die gasisolierte Schaltanlage findet im Gebäude Platz.

(Bild: Siemens Energy)

Netzstudie und Konzeption der elektrischen Anlagen durch Fichtner

Beim Um- und Ausbau des werkseigenen Stromnetzes vertraut Salzgitter Flachstahl seit Langem auf die Beratungs- und Planungskompetenz von Fichtner (siehe Kastentext). Hauptaufgaben des aktuellen, 2021 erteilten Auftrags sind eine Netzstudie, die Zielnetzplanung und die Konzeption wesentlicher elektrotechnischer Anlagen, die wegen des höheren Strombedarfs zu bauen sind.

Im Werk ist ein neues, leistungsfähigeres Umspannwerk erforderlich, das die Spannung von 380 kV auf 220 kV und 30 kV des werkinternen Hoch- und Mittelspannungsnetzes transformiert. Zum Umspannwerk gehört neben den Leistungstransformatoren außerdem eine Hochspannungs-Schaltanlage. Da eine Freiluftschaltanlage mehr Grundfläche benötigen würde, als zur Verfügung steht, wird auf dem Werksgelände eine kompakte, gasisolierte Schaltanlage (GIS) errichtet. Zudem konzipierte Fichtner eine neue 30-kV-Mittelspannungs-Schaltanlage inklusive Schaltanlagengebäude und Transformatorstand.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit seit fast 20 Jahren

Ob bekannte Problemstellung oder neue Herausforderung – wenn es um die Energietechnik im Werk der Salzgitter Flachstahl GmbH geht, vertraut man seit fast 20 Jahren auf die Zusammenarbeit mit Fichtner. 2005 ging es um den Ausbau des Stromnetzes auf der 220/110kV-kV-Ebene, später durfte Fichtner sich beim Neubau des Kraftwerks mit Planungs- und Beratungsleistungen einbringen. Auch wenn gerade keine Großprojekte anstanden, blieb der Kontakt bestehen. Zum Beispiel hat Fichtner in den vorigen Jahren geholfen, die Netzmodelle aktuell zu halten. Das erweist sich heute als Vorteil für den Auftraggeber und für uns als Auftragnehmer, denn für die Konzeption des Stromnetzes für das SALCOS®-Projekt konnten wir auf eine bestehende, verlässliche Informationsbasis aufsetzen.

Unterstützung bei der Koordination vor Ort

Seit 2020 unterstützt Fichtner das Projektbüro SALCOS380kV vor Ort bei der Umsetzung der geplanten Schaltanlagen. Mit dem Bau der Schaltanlagen wurden verschiedene Firmen beauftragt, deren Leistungen durch Fichtner in Bezug auf Vertragskonformität und Qualität überprüft werden. Hierbei stellt Fichtner sicher, dass die Vorgaben aus den – zuvor durch Fichtner erstellten – Ausschreibungsunterlagen auch eingehalten werden. Die Überwachung der technischen Schnittstellen zwischen den einzelnen Firmen rundet das Aufgabenprofil ab.

Mit diesen und vielen weiteren Leistungen (siehe Kastentext) unterstützen wir von Fichtner das Projekt SALCOS® – und wir sind stolz darauf, einen Vorreiter in der energieintensiven Industrie auf dem Weg der Dekarbonisierung zu begleiten.

Bauplanungsleistungen von Fichtner für SALCOS®

Über die elektrotechnischen Planungen hinaus ist Fichtner außerdem mit umfangreichen Bauplanungsleistungen für SALCOS® aktiv. Beispielsweise beinhaltet die Generalplanung eines Schaltanlagengebäudes, das u.a. für die 30-kV-Spannungsversorgung der Elektrolyse benötigt wird, als zusätzliches Bauwerk zwei Trafowannen. Dabei werden unter anderem hohe Anforderungen an die Betontechnologie gestellt, da diese Wannen flüssigkeitsdicht ausgebildet sein müssen.

Darüber hinaus ist Fichtner mit der Objekt- und Tragwerksplanung für den etwa 120 m hohen HYTEMP® Tower betraut. Dieses mit knapp 3.000 t belastete Tragwerk dient der Direktreduktionsanlage zum Transport und der Zwischenspeicherung des ungefähr 600 °C heißen Eisenschwamms und wird auf dem Energiegebäude errichtet. Im Energiegebäude selbst steht der 240 t schwere Ofentransformator für den Elektrolichtbogenofen, welcher aufgrund seiner hohen Stromstärke in einem eisenfreien Bereich angeordnet werden muss. Angesicht dieser hohen Lasten sind für die Gründung des Turms 116 Bohrpfähle mit 34 m Länge erforderlich. In diesem beengten Baufeld sind dabei die Schnittstelle der beiden Prozessketten Direktreduktionsanlage und Elektrolichtbogenofen mit allen Projektbeteiligten zu koordinieren.

Die Fichtner-Gruppe ist somit in der Bauplanung an allen drei SALCOS®-Teilprojekten – Elektrolyse, Direktreduktionsanlage und Elektrolichtbogenofen – beteiligt.

Juli 2024

Beitragsbild: Salzgitter AG

Fichtner-Mitarbeiter Dr. Bernhard Lutz

Dr. Bernhard Lutz

Projektbereichsleiter im Geschäftsbereich Elektrische Anlagen & Netze

Fichtner-Mitarbeiter Herbert Bussmann

Herbert Bussmann

Projektbereichsleiter Elektrotechnik

Fichtner-Mitarbeiter Sezai Olgun

Sezai Olgun

Senior Projektingenieur im Projektbereich Elektrotechnik

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