Glückauf! Untertage im Schacht Konrad
20.000 Meilen unter dem Meer, Reise zum Mittelpunkt der Erde … in seinen Werken schrieb Jules Verne in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Faszination der Tiefe. Und auch heute noch ist es schwer vorstellbar, welche Dinge und Gegebenheiten dort vorzufinden sind.
Genauso unvorstellbar fühlte es sich für mich an, als wir von unserem Auftraggeber Schachtbau Nordhausen GmbH (SBN, ein Unternehmen der BAUER Gruppe) bei einer Projekt-Klausurtagung eingeladen wurden, nicht nur eine Werksbesichtigung zu unternehmen, sondern auch eine Befahrung in einem ehemaligen Bergwerk einzuplanen.
Die Schachtbau Nordhausen ist ein Unternehmen mit einer langen Tradition im Bergbau. Das Unternehmen beschäftigt sich schon seit 1898/99 mit dem Abteufen (Herstellung von Schächten) und hat auch heute noch eine große Bedeutung bei der Sanierung von Bergwerkschächten in Deutschland und dem Auffahren von neuen Bergwerken in Osteuropa und Zentralasien.
Ein aktuelles Projekt der Schachtbau Nordhausen ist die Neuauffahrung des zukünftigen Werkstattbereiches des Bergwerkes Schacht Konrad in Salzgitter und die Planung und der Bau des Förderturms Schacht Konrad 2. Das Projekt wurde durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) beauftragt.
Wir als Fichtner Bauconsulting unterstützen die Schachtbau Nordhausen bei der Planung des Förderturms Schacht Konrad 2 in den Bereichen Architektur, Technische Gebäudeausrüstung HKLS (Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitäranlagen) und ELT (Elektro) sowie beim Thema Brandschutz.
Der Schacht Konrad 2 fungiert als einer von zwei Zugängen zum ehemaligen Eisenerzbergwerks Konrad, das derzeit zu einem Endlager für radioaktiv Abfälle umgebaut wird. Später sollen hier bis zu 303.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert werden.
Bis heute steht in Deutschland kein betriebsbereites Endlager für die bestehenden radioaktiven Abfälle zur Verfügung. Deshalb werden radioaktive Abfälle aus dem Betrieb und der Stilllegung von Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren bis zu ihrer Verbringung in ein Endlager zeitlich begrenzt an verschiedenen Orten in Deutschland zwischengelagert.
Der Bau des Bergwerks begann 1957. Das Erz wurde über zwei Schächte erschlossen, von denen Schacht Konrad 1 rund 1232 Meter und Schacht Konrad 2 rund 999 Meter tief sind. Benannt wurden sie nach Konrad Ende, dem früheren Aufsichtsrat der Salzgitter AG. Der Produktionsbetrieb dauerte von 1961 bis 1976. In dieser Zeit wurden insgesamt 6,7 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert.
Nachdem die Förderung stark zurück ging, wurde das Bergwerk im September 1976 geschlossen. Jedoch gab es bereits 1975 erste Untersuchungen, ob sich das Bergwerk als Endlager für atomaren Müll eignet. Aber erst 2008 – nach langen Genehmigungsverfahren und Prozessen – wurde der Umbau von Schacht Konrad endgültig genehmigt und ist damit Deutschlands einziges genehmigtes Endlager.
Seit 2008 dauern nun die Baumaßnahmen an und werden voraussichtlich bis 2027 beendet sein. Die Kosten für den Umbau der Schächte sowie des gesamten Bergwerkes werden auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt. Anhand der zeitlichen Abläufe und Kosten lässt sich schon erahnen, um welche Komplexität und Dimensionen es sich bei diesem Projekt handelt. Beeindruckend nicht nur für mich, sondern auch für meine Kolleginnen und Kollegen der Fichtner Bauconsulting, die an diesem Projekt aktiv mitwirken dürfen.
Unser Tag der Bergwerksbesichtigung startete um 6 Uhr beim Frühstück in Nordhausen. Auf der Fahrt nach Salzgitter durch den Harz konnten wir uns dann noch ein wenig die Region anschauen. Planmäßig kamen wir nach 1,5 Stunden an unserem Ziel am Schacht Konrad an und wurden mit einem herzlichen „Glückauf“ begrüßt, dem Bergmannsgruß, der hier allgegenwärtig ist.
Nachdem wir die Sicherheitskontrolle hinter uns gelassen hatten, wurden wir in das Besucherzentrum geführt. Hier wurden wir von zwei sehr netten Mitarbeitern zu den Umkleideräumen geführt und mit Bergmannskleidung von Unterwäsche bis Helm ausgestattet.
Zur wichtigen Grundausstattung der Bergleute gehört außerdem der „Selbstretter“. Dieser Sauerstoff-Selbstretter bietet Schutz vor plötzlich auftretenden toxischen Gasen und Sauerstoffmangel.
Nach einer Sicherheitseinweisung konnte es nun in Richtung Schacht gehen. Vorbei an der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, und Schlägel und Eisen, Symbole für den Bergbau, wurden wir in die Lampenstube geführt. Hier gibt es ein Tableau, welches angibt, welcher Bergmann sich aktuell im Bergwerk befindet. Die Bergleute, die dort arbeiten, grüßen erneut mit einem fröhlichen Glückauf. Wer mit unter Tage fährt, ist für einen Bergmann offenbar Teil der Gemeinschaft.
Mit einem guten Gefühl stieg ich mit meinen Kollegen in den unbeleuchteten Förderkorb. Eigentlich nichts anderes als eine Art Fahrstuhl in die Tiefe. Aber zum einen dauerte es deutlich länger als eine Fahrt im Fahrstuhl und zum anderen war es nicht so ruckelig wie erwartet. Ich spürte deutlich einen Luftzug und als ich mit meiner Lampe an die Schachtstöße leuchtete, sah ich, wie schnell wir in die Tiefe rauschten.
Nach weniger als fünf Minuten hatten wir die 990-m-Sohle erreicht. Nach dem kühlen Fahrtwind kam uns nun eine warme (ca. 35 Grad Celsius) staubige Luft entgegen. Ein paar Meter weiter erwartete uns unser umgebautes Besucher-Cabrio, mit dem wir durch die Strecken chauffiert wurden. Die Fahrt hatte etwas von einer „Wilde-Maus“-Fahrt, aber unser erfahrener Bergmannsführer kennt sich hier unten sehr gut aus und kennt die einzelnen Sohlen und Ausbaustufen wie seine Westentasche.
Als erstes wurden wir zu einem Infopoint gebracht, an dem wir etwas über die Geschichte, Hintergründe und den geplanten Ausbau zum Endlager erfuhren. Durch die Größe und Entfernungen der Grubenräume wurde die Dimension dieses Projekt greifbarer. Wir waren sehr beeindruckt. Außer unserem Bergführer war noch ein Bergbauingenieur mit uns unterwegs, der uns über den Ausbau der Kammern und die Anker-Sicherungsstechnik informierte. Die Streckenstöße werden mit Metallankern gesichert und dann mit Spritzbeton ausgespritzt.
Weiter ging es in Richtung einer der Einlagerungskammern, die deutlich größer als die gewöhnlichen Verbindungsstrecken sind.
Eine weitere Station war das spätere Füllort. Das Füllort ist der unterirdische Zugang vom Schacht ins Endlager. Hier geht die vertikale Schachtförderung in eine horizontale Streckenförderung über. Im späteren Einlagerungsbetrieb kommen hier die Behälter mit den radioaktiven Abfällen über Schacht 2 an. Sie werden dann auf ein Transportfahrzeug umgesetzt und weiter zu den Einlagerungskammern transportiert. Dort werden die Behälter schließlich eingestapelt.
Einige Teilabschnitte dieses großen Vorhabens sind schon fertig, andere noch im Bau. Sicher ist aber, dass hier Großes geleistet wird. Hier unten gibt es Werkstätten, Büros, eine kleine Tankstelle und Mitarbeiter, die hier täglich 7 Stunden bei Hitze und Staub unter Tage arbeiten, um das Projekt zum Erfolg zu bringen. Allein die Infrastruktur mit Fahrzeugen und Maschinen aus Einzelteilen hier unten aufzubauen ist eine Herausforderung.
Ich bin froh, nach ca. vier Stunden völlig verschwitzt und staubig wieder mit dem Förderkorb in Richtung Ausgang zu fahren und dort duschen und mich umziehen zu können.
Vielen Dank an die BGE und der Schachtbau Nordhausen, dass die Befahrung trotz Corona stattfinden konnte. Es war eine großartige Erfahrung und ein beeindruckendes Erlebnis!
September 2021
Stephanie Herrmann
Marketingspezialistin